St. Willibrord, Euchen

St. Willibrord Euchen Kirche (c) HKau

Dorf und Kirchengemeinde

Unter den ehemaligen Pfarren, die heute zur Pfarrei St. Sebastian zusammengefasst sind, nimmt Euchen mit seiner Kirche St.Willibrord insofern eine Sonderstellung ein, als es als einziger Siedlungsbereich völlig losgelöst von der restlichen Bebauung nach allen Seiten an die offene Feldflur grenzt. Der dörfliche Rahmen mit seinen überschaubaren Größenordnungen prägt deutlich auch das Verhältnis der Menschen zu ihrem Wohnumfeld. Die vielfach sich überschneidenden und verknüpfenden sozialen Verbindungen erleichtern den Erhalt kirchlichen Lebens.

Nicht nur räumlich, sondern auch im übertragenen Sinn steht die Kirche noch mitten im Dorf.

Eine weitere Besonderheit stellt der Weiler/Ortsteil Schleibach dar, der seit Alters zur Pfarre Broich bzw. nach 1905 zu Euchen zählte, kommunal aber heute Alsdorfer Gebiet ist.

 

Zur Geschichte von Ansiedlung und Gotteshaus

Euchen und seine Kirche haben eine lange Geschichte. Das Bördenland um Euchen ist fruchtbar, so dass man von kontinuierlicher Besiedlung schon seit vorchristlicher Zeit ausgehen kann. Gesichert sind Spuren aus römischer Zeit in unmittelbarer Nähe des Dorfes (zwei röm. Hofanlagen). Eine erste Erwähnung des Ortes findet sich in einem Schriftstück aus dem Jahre 1217. „Um 1300 ist nach dem Liber valoris in Euchen bereits eine Kapelle vorhanden, die der Mutterkirche in Broich inkorporiert ist (BINTERIM u. MOOREN, E. K. II, S. 225), und die in den Kellnereirechnungen von Wilhelmstein im J. 1689 als “alte Kirch“ bezeichnet wird“(REINERS, 1912). Wahrscheinlich stand dieses Gebäude am Platz der heutigen Kirche.

Bis Beginn des 19. Jahrhunderts ist rund um die Kirche der Friedhof, auch für Broich. Danach werden die Verstorbenen nur noch hinter dem Gotteshaus bestattet.

Baugeschichte von St.Willibrord zu Euchen

Der älteste Teil St.Willibrords ist der wuchtige Vierkantturm an der Südseite des Komplexes. Er geht in seinen Grundfesten auf das Mittelalter zurück. Vermutlich stammen die ältesten Teile des Bruchsteingemäuers aus dem frühen 13. Jahrhundert.

1725 bricht man eine Vorgängerkirche/-kapelle und Teile des Turms von St. Willibrord ab, um an gleicher Stelle einen schlichten Barockbau zu errichten. Die nun neu entstehende Hallenkirche bekommt einen geraden Chorabschluss und ist in fünf Joche gegliedert. Das abgeflachte Halbrund der Jochbögen endet seitlich auf Pilastern mit einfach gestalteten Kapitellen und Pfeilerbasen. Die Wandfläche zwischen den aufliegenden Viertelpfeilern ist von den Öffnungen der Rundbogenfenster durchbrochen.

Die Deckenteile zwischen den Jochbögen bilden eine Kreuzrippenwölbung. Der Einbau von Hochaltar und zweier Seitenaltäre im spätbarocken Stil runden den Bau ab.

Planer und Bauleiter ist vermutlich der Aachener Baumeister Mefferdatis. Ähnlichkeiten mit Bauwerken, die ihm sicher zuzuschreiben sind, legen diesen Schluss nahe. Er arbeitet ja auch in diesem Zeitraum an „Alt-“St.Sebastian.

Eine weitere Umbauphase St.Willibrords beginnt 1912. Das letzte, nach Norden gelegene Joch des Baus von 1725 nebst einem Anbau hinter der Kirche wird abgebrochen und das Gotteshaus um Vierung, Apsis und Sakristeien erweitert.

Dombaumeister Josef Buchkremer übernimmt in seiner Planung Stilelemente des Vorgefundenen (Rundbogen und Kreuzrippenwölbung), sicher auch, um eine einheitliche Gesamtwirkung mit dem Langhaus zu erzielen.

1916 ist der Erweiterungsbau im Wesentlichen vollendet. Leider wird im Zuge der Baumaßnahmen auch die alte Inneneinrichtung verworfen. Auf einem Foto aus dem Jahre 1910 sind noch der Hochaltar und zwei Seitenaltäre aus dem Beginn des 18. Jahrhunderts zu erkennen. Wer einen Eindruck der alten Pracht gewinnen möchte, möge St.Willibrord, Merkstein, besuchen. Dort sind Hochaltar und Seitenaltäre in der alten Form, nachweislich aus dem Spätbarock (1746), erhalten. Der Aufbau ist fast deckungsgleich mit den Altarformen in St.Willibrord, Euchen.

Im Winter des Jahres 1944 wird Euchen durch Kampfhandlungen fast völlig zerstört. Auch St.Willibrord nimmt starken Schaden. Große Teile des Gewölbes können in den ersten Nachkriegsjahren nicht mehr gerettet werden. Heute überspannt eine Stahl-Holz-Konstruktion das Langhaus und Teile der Vierung. Große Teile der Innenausstattung fielen der Zerstörung zum Opfer. Die Ausmalung des Gotteshauses wird nur in der Chorapsis restauriert, die restliche Kirche in schlichtem Hellbeige gestrichen.

Das Original des Apsisbildes mit thronendem Christus malt der Künstler Philipp Schumacher (*1866 – +1940) im Jahre 1924 in spätnazarenischem Stil. Das Werk wird 1985 restauriert. 1944 teilweise beschädigt, liegt es in der Nachkriegszeit unter einem hellen Anstrich verborgen.

Pfarrgeschichte

Zur Pfarrgeschichte ist nicht viel bekannt. Im Text einer Urkunde (Descriptio Decanatus Juliacensis) im Pfarrarchiv von Oberzier steht geschrieben: „Broich bei Aachen im Herzogtum Jülich gelegen. In dieser Pfarrei befindet sich eine abgetrennte, d. h. Nebenkirche im Dorf Euchen, die vor Alters die erste oder vorzüglichere, d. h. Pfarrkirche war, in der wöchentlich zweimal die Messe zu halten, der Herr Pfarrer von Broich verpflichtet ist.“

Ein Extractus anno 1664 aus den Gerichtsakten der Vogtei Wilhelmstein besagt, dass die Schöffen Johann Becker, Theis Nacken, Wilhelm Becker und Everhard Pütgens erklärt haben, dass Euchen die Hauptkirche gewesen sei und dass der Pastor von Broich verpflichtet gewesen sei, zweimal in der Woche dort zu „celebrieren“.

Fakt ist, dass Euchen über Jahrhunderte als Kapellengemeinde der Pfarre Broich zugeordnet bleibt.

Zum Kirchspiel Broich gehören damals die Dörfer und Weiler Vorweiden, Linden, Neusen, Broich, Krahnentals Mühle, Kellersberg, Kellersberger Mühle, Ofden, Schleibach, Euchen und Birk.

Ab 1896 darf in Euchen getauft werden.

Nach langem und heftigem Bemühen wird Euchen 1905 selbständige Pfarre, (Alt)Ofden (1956 wieder abgetrennt), Schleibach und Birk der neuen Pfarre zugeordnet. Erster Pfarrer wird ebenfalls 1905 Heinrich Wehrhahn.

Mit der Bildung der Gemeinschaft der Gemeinden aus St Lucia, Broichweiden, St. Nikolaus, Linden-Neusen und St. Willibrord, Euchen, beginnt die Entwicklung zu größeren Einheiten bei noch Beibehaltung der pfarrlichen Autonomie (2004).

Schon vorher (seit 11/1991) betreut Pfarrer Hans-Rolf Krewinkel die drei Pfarren in Personalunion.

2010 wird Euchen schließlich Teil der Pfarrei St. Sebastian, Würselen. Damit erlischt die über hundertjährige Eigenständigkeit (1905 – 2010).