Pfarrer Tran erzählt über seine Flucht aus Vietnam

ehemaliger Würselener Kaplan berichtet in der Kirchenzeitung

Pfarrer Huu Duc Tran (c) Eva Weingärtner
Pfarrer Huu Duc Tran
Datum:
Fr. 21. Aug. 2015
Von:
Stephan Schirmel
Pfarrer Franz Xaver Huu Duc Tran von der Pfarrei St. Martin Wegberg weiß genau, wie sich die Flüchtlinge fühlen, die nach Deutschland kommen. Auch er floh 1980 im Alter von neun Jahren aus seiner Heimat Vietnam, um ein neues Leben zu beginnen.

Er kennt die Angst vor dem Neuen, die Unsicherheit, als Fremder hier zu sein. Tran wurde 1971 mitten im Vietnamkrieg geboren. Damals lebte er in der Nähe der Tunnelstadt Cu Chi. Nach Ende des Krieges 1975 wuchs er in Saigon (heute Ho-Chi-Minh-Stadt)auf. Geneinsam mit seiner Mutter, seiner Schwester und einem Onkel flüchtete er 1980. Doch auf dem Weg zur Fluchtstelle, einem Boot, verlor er seine Familie – bis auf den Onkel – aus den Augen. 13 Tage verbrachten die beiden beengt und mit wenigen Wasser- und Essensvorräten auf hoher See.

Zwei Jahre in einem Lager auf einer Insel

„Wir hatten damals Glück im Unglück“, sagt Tran. Denn eine größere Gruppe hatte es nicht zum Boot geschafft, so dass mehr Verpflegung blieb. „Ich hatte große Angst bei dem hohen Seegang, dass unser Boot untergehen würde“, erinnert er sich. Nach 13 Tagen stieß das Flüchtlingsboot auf eine Bohrinsel. Von dort aus wurde nach einem Schiff zur Rettung geschickt. Die Bohrinsel sei in der Nähe eines Flüchtlingslagers auf einer malaysischen Insel gewesen. Dorthin wurden die Flüchtlinge gebracht. Zwei Jahre lebte Tran dort. Seine Eltern, seine Schwester und ein weiterer Onkel flohen 1981. Sie wurden nach drei Tagen von dem Rettungsschiff Cap Anamur aufgenommen, das damals unter deutscher Flagge lief. Da in Deutschland für Flüchtlinge ein Aufnahmekontingent bestand, entschieden die Eltern, nicht wie ursprünglich vorgesehen nach Amerika zu gehen, sondern nach Deutschland. Dort stellten sie einen Antrag auf Familienzusammenführung. Tran kam im Februar 1982 nach Deutschland. In Stolberg wuchs er auf und ging dort zur Schule.

„Für mich war das damals ein Kulturschock“, erzählt der Pfarrer. Denn zwei sein Leben prägende Jahre habe er auf der Insel ohne die Liebe, Bindung und Geborgenheit seiner Familie verbracht. „Das Gefühl, elternlos zu sein, und der viele Freiraum begleiteten mich.“ In Deutschland musste er erkennen, dass nicht wie in seiner Heimat das „wir“ eine große Rolle spielt, sondern das „ich“. Hinzu sei die fremde Sprache gekommen.

Gottesdienste und Kirche waren ihm eine Heimat

Wohl gefühlt habe er sich damals in den Gottesdiensten in der Kirche, deren Liturgie und Gemeinschaft ihm bekannt war. „Meine Familie und ich sind katholisch, so dass ich die Abläufe kannte.“ Überhaupt habe ihm der Glaube auch in der Pubertät geholfen, als er sich die Frage gestellt habe, warum er noch lebe und nicht wie viele Flüchtlinge auf dem Grunde des Meeres geendet sei. Er habe erkannt, dass er Gott sein Leben verdanke, obwohl er eigentlich tot hätte sein können. Die Erfahrung war, dass der Glaube eine Bereicherung ist, frei macht, Halt und Orientierung gibt. „Der Glaube und die Kirche sind immer ein Zuhause, das mir keiner nehmen kann“, macht er Mut. Wenn man selbst von Gott geliebt sei, könne man die Liebe weitergeben an die Mitmenschen, die Flüchtlinge.

Flüchtlingen ein Gefühl der Sicherheit geben

„Das Flüchtlingsthema wird uns weiter beschäftigen“, sagt Tran. Man müsse sich Gedanken machen, wie man helfen könne, damit die Menschen langfristig ein neues Zuhause fänden. Das Ziel verfolge auch der „Runde Tisch der Flüchtlingshilfe in Wegberg“. Von Seiten der Pfarrei St. Martin werde von Willibert Jansen, René Brockers und Kaplan Michael Marx Hilfe koordiniert. Das Bemühen der Staaten müsse dahin gehen, die Lebensbedingungen vor Ort zu verbessern, sagt Tran. Papst Franziskus habe mit der neuen Enzyklika ein Zeichen gesetzt, indem er dazu aufgerufen habe, die Not der Menschen in den Blick zu nehmen.

Von Eva Weingärtner

Veröffentlicht am 13.08.2015

Bericht in der Kirchenzeitung